PODCAST #124: Was wir von unseren Hunden lernen können – Interview mit Rosina Geltinger

Ich denke, jeder Hundemensch weiß, wie schwierig es sein kann, sich und seinem Hund treu zu bleiben, gerade dann, wenn von außen andere Meinungen, Vorstellungen und Erwartungen auf uns und unseren Hund einprasseln. Im Interview mit Rosina Geltinger habe ich mich darüber unterhalten, was wir von unseren Hunden lernen können, wie wir dadurch eine tiefere Verbindung zueinander und zu uns selbst aufbauen können und wie uns dies auf unserem Weg stärkt.

Rosina ist Heilpraktikerin für Psychotherapie und arbeitet vor allem mit Frauen, die unzufrieden sind oder mehr für sich einstehen möchten. Dabei begibt sie sich zusammen mit ihren Klientinnen immer wieder auf die Suche nach der Ursache von wiederkehrenden Handlungsmustern, limitierenden Glaubenssätzen und Blockaden. Und findet anschließend Wege, um aus alten Mustern rauszukommen und die Menschen zu befähigen, ihre Bedürfnisse zu erkennen und auch zu leben.


In dieser Podcastfolge erfährst du:

  • Was wir von unseren Hunden lernen können
  • Wie wir durch unsere Hunde in besseren Kontakt zu unseren Emotionen, Bedürfnissen und Wünschen kommen können
  • Wie wir mit starken Emotionen umgehen können
  • Warum wir uns durch unsere Hunde selbst besser kennen lernen 
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Rosina hilft – kurz gesagt – Menschen dabei, sich so zu fühlen, wie sie sich fühlen möchten.
Dabei arbeitet sie mit den Menschen in tieferen Schichten, an der Wurzel der Themen, durch Arbeit mit dem inneren Kind, mit alten Glaubenssätzen, Prägungen und Mustern und tiefliegenden inneren Strukturen.

Ich finde das super spannend, denn – wie du sicher weißt, wenn du mich schon ein wenig kennst – ich arbeite im Hundetraining ganz ähnlich. Du hast es sicher schon von mir gehört und wirst es auch immer wieder hören: Arbeite an der Ursache und nicht am Symptom.  

Auch das Thema Glaubensätze und Überzeugungen ist ein wichtiger Bestandteil meiner Arbeit, sowohl bei den Hunden als auch bei den Hundemenschen. Denn ich bin überzeugt davon, dass wir nicht nur die Themen der Hunde anschauen und dort an der Ursache arbeiten sollten. Sondern auch unseren eigenen, menschlichen Themen, sollten wir wahrnehmen, anschauen und daran arbeiten. Dadurch ermöglichen wir uns und unseren Hunden ein harmonisches und entspanntes Leben miteinander.


"Wenn ich wirklich etwas ändern möchte, muss ich an die Wurzel der Themen gehen."

Rosina Geltinger


Hunde sind von Natur aus mit sich im Reinen und leben einen tiefen inneren Frieden. Dadurch sind sie wunderbare Lehrer für uns Menschen, um uns anzuspornen, mit uns ins Reine zu kommen und inneren Frieden zu finden.
Außerdem leben Hunde im Hier und Jetzt. Unsere Hunde und wahrscheinlich alle Tiere leben uns Achtsamkeit vor und können uns helfen, immer mehr im Moment anzukommen und das Hier und Jetzt bewusst zu erleben.
 
Dadurch, dass unsere Hunde mit sich im Reinen sind und im Hier und Jetzt leben, tun sie das, was sich für sie in dem Moment gut und richtig anfühlt. Sie denken nicht darüber nach, was der Nachbar denken könnte oder ob sie noch andere Aufgaben zu erledigen haben oder warum gestern dies oder jenes geschehen ist.


"Kein Hund überlegt sich, ob das jetzt ok ist, sich hier in der Sonne hinzulegen und mal ein Schläfchen zu halten. Er macht’s, weil es sich gut anfühlt und weil es sich richtig anfühlt."

Rosina Geltinger


Unsere Hunde denken nicht darüber nach, ob es in Ordnung ist, seinen Bedürfnissen nachzugehen, sie machen es einfach. Und genau so, wie es sich für sie am besten anfühlt. Vielleicht liegen sie deshalb so oft vermeintlich „mitten im Weg“. Es ist einfach der beste Platz, um genau hier und jetzt ein Schläfchen zu halten.
 
Mein Beagle Pablo hat sich z. B. mit Vorliebe in die Sonne gelegt. Und es war ihm reichlich egal, ob ich um ihn herumgehen musste – mir übrigens auch. Er lag einfach so lange genüsslich in der Sonne, bis es ihm zu warm wurde. Dann legte er sich in den Schatten auf einen gemütlichen Platz.

Was wir noch von unseren Hunden lernen können ist eine tiefe, gesunde Atmung. Gerade wenn ein Hund ruht, kann man sehen, wie intensiv, ruhig und sanft er atmet und wie der ganze Körper sich dabei bewegt. Von unseren Hunden können wir lernen, weg von der Stressatmung wieder hin zu einer tiefen Atmung zu kommen.
Wenn wir unsere Hunde – und alle anderen Tiere – lassen, dann sind sie ganz wundervolle Lehrer in Sachen Achtsamkeit, den Moment wahrnehmen und eigene Bedürfnisse erkennen und leben.


"Die Tiere sind letztendlich auch ein Spiegel für uns. So wie jedes Gegenüber ein Spiegel für uns ist."

Rosina Geltinger


Uns Menschen scheint es aber schwer zu fallen, diese Natürlichkeit, die unsere Hunde zeigen, vollkommen zuzulassen und anzunehmen. Dies zeigt sich z. B. an verschiedenen Trainingskonzepten, die dies unterdrücken und verbieten. Sei es, dass ein Hund nicht liegen darf, wo er möchte, weil er dann dominant ist. Sei es, dass wir ein für sie unnatürliches Verhalten wünschen, weil es unseren gesellschaftlichen Normen entspricht.
 
Aber woran liegt es, dass wir so auf ihre Natürlichkeit reagieren und sie ihnen verbieten oder sie einschränken wollen?
Tiere sind – wie jedes Gegenüber – ein Spiegel für uns. Wir lernen schon in jungen Jahren uns anzupassen, unsere Lebendigkeit zu zügeln, unsere Wildheit zu unterdrücken und auch eigene Bedürfnisse zu unterdrücken. Wenn unsere Hunde dann ihre ungezähmte Lebendigkeit und ihre Bedürfnisse offen zeigen, dann triggert uns dies – oft unbewusst. Auch Ängste z. B. vor Ablehnung und Erfolgsdruck, dass der eigene Hund unbedingt perfekt und gesellschaftstauglich sein muss, spielen hier eine Rolle.


"Das Anpassen steht in unserer Gesellschaft höher als das lebendig sein."

Rosina Geltinger


Weil wir so gut darin trainiert sind, angepasst zu sein, ist es uns oft unangenehm anderen gegenüber, wenn unser Hund sich eben nicht anpasst und wie erwartet verhält. Außerdem greifen wir automatisch auf das zurück, was wir bereits gelernt und erfahren haben. Wir gehen dann mit unserem Hund so um, wie es Eltern, Bezugspersonen und Erzieher mit uns gemacht haben.  

Wenn wir gelernt haben, dass Anpassung uns die Anerkennung und das Wohlwollen anderer sichert, so greifen wir auch auf diese Muster in Bezug auf unseren Hund und sein Auftreten in der Gesellschaft zurück. Wenn das dann so nicht funktioniert, wie wir uns das vorgestellt haben, verspüren wir schnell Hilflosigkeit und Überforderung.
 
Oft haben wir auch Angst davor, uns die Themen anzuschauen, die durch unsere Hunde getriggert werden. Wir haben Angst davor, dass wir davon überrollt werden, wenn wir uns unsere Themen genauer anschauen. Dabei sind genau diese Themen, die wir mit unseren Hunden erleben, die uns so triggern, ein super Wegweiser für uns selbst.

Wenn ich getriggert werde, dann habe ich zwei Optionen. Entweder ich schaue es mir an oder ich gehe in eine Verteidigung über und schaue es mir nicht an. Wenn ich dem Hund gegenüber in eine Verteidigung gehe, dann bedeutet es eigentlich immer, dass ich äußerst ungerecht werde. Denn mein Hund wollte mich ja nicht triggern und kann demnach auch nichts dafür.
Wenn wir getriggert werden, so ist das eine super Chance, die wir ergreifen sollten.


"Wir kommen an die Themen ja nur wirklich ran, wenn wir getriggert werden. Wenn das Thema hochkommt.
Wenn es aus dem Unterbewusstsein langsam ins Bewusstsein steigt.
"


Rosina Geltinger


Wenn du dir deine Themen nicht anschaust, so wird es kein echtes Miteinander mit deinem Hund geben können. Du wirst dich ständig getriggert fühlen und ihr werdet immer in einer Art Kampf und in ständiger Unzufriedenheit auf beiden Seiten leben. Denn wenn ein Thema mal aktiviert wurde, dann geht es nicht einfach wieder weg, nur weil du es dir nicht anschauen möchtest. Es ist trotzdem da und verbraucht schrecklich viel Energie und Lebensfreude. Wir müssen uns unsere Themen anschauen, um sie aufzulösen.
 
Hier kommt wieder die Angst überrollt zu werden ins Spiel. Aus meiner persönlichen Erfahrung kann ich dir sagen: ich wurde nie mit mehr konfrontiert, als ich stemmen konnte. Ich wurde nie überrollt. Es war immer eine Herausforderung, aber es hat mich nie überfordert.


"Ich vertraue in meiner Arbeit tatsächlich immer drauf, dass genau das kommt, was zum einen jetzt dran ist. Und auch das kommt, was die Seele, was der Mensch gerade packen kann. Das „ich werde überrollt davon“ ist wirklich nur eine Angst. Es ist eine Angst, die kognitiv gemacht wird. Das kommt aus dem Verstand."

Rosina Geltinger


Ich denke gerade zurück an meine Zeit mit Chouky. Als es ganz schwierig für uns wurde und ich die Wahl hatte, entweder unterdrücke ich ihn richtig krass und brutal oder ich mache meine innere und äußere Arbeit. Wie du dir wahrscheinlich denken kannst, habe ich mich für die zweite Möglichkeit entschieden. Ich habe mir mehr und mehr Wissen zu Hunden und zu freundlichem und bedürfnisorientiertem Training angeeignet – meine „äußere“ Arbeit.

Und ich habe damals begonnen, mir meine Themen anzuschauen, nach der Ursache zu forschen und daran zu arbeiten – meine innere Arbeit. Damals war es so, als ob Chouky mich wortwörtlich aufgebrochen, meinen mit den Jahren angelegten Schutzpanzer aufgeknackt hat. Durch die Risse kamen meine Emotionen, meine Wünsche und meine Lebendigkeit wieder zum Vorschein.

Chouky hat mich dadurch mit meiner ganz eigenen Lebendigkeit und auch mit meinen Bedürfnissen in Kontakt gebracht. Dafür bin ich Chouky auch heute noch unendlich dankbar.

Wir Menschen lernen schon sehr früh, unsere Emotionen zu ignorieren oder sie nicht so zu zeigen, wie wir sie empfinden. Schon als Säuglinge erfahren wir Enttäuschungen und lernen leider oft sehr schnell: wenn ich bin, wie ich bin, werde ich nicht so angenommen, wie ich das brauche. So entstehen Glaubenssätze wie: Ich bin nicht gut, so wie ich bin. Etwas ist falsch mit mir.

Wenn uns Erwachsene im Kindesalter aufzeigen, dass Emotionen nicht in Ordnung sind, dann treiben uns diese Erlebnisse von unseren Emotionen fort. Unsere Hunde leben uns oft vor, was wir wegdrücken und uns nicht erlauben zu leben.


"Wir haben oft Angst davor, dass es unangenehm wird, dass es weh tut, dass es tränenreich ist. Und ja, das ist es manchmal. Das ist es auch oft. Aber nichtsdestotrotz steckt da ein tiefes Geschenk dahinter."

Rosina Geltinger


Es gibt nichts Schöneres und Erfüllenderes als immer mehr und mehr in Kontakt mit den eigenen Emotionen und Bedürfnissen zu kommen und uns zu erlauben, diese zu leben.

Da es immer Menschen geben wird, die dich ablehnen, egal was du tust oder wie du bist, müssen wir gar nicht erst versuchen, es allen recht zu machen. Das ist schlichtweg nicht möglich.
Deshalb: mach das, was dir und deinem Hund gut tut, wie du und dein Hund sich wohl fühlen.

Wieder in Kontakt mit den eigenen Emotionen zu kommen, beinhaltet auch, in Kontakt mit Emotionen zu kommen, die sich nicht gut anfühlen. Diese Emotionen auszuhalten und sie nicht wegzudrücken, sondern in Kontakt mit ihnen zu gehen, ist ein wichtiger Punkt. So können wir die Erfahrung machen, dass auch diese Emotionen weiterziehen und vorübergehen.

Wir dürfen uns ärgern, aber wir sollten uns von unseren Emotionen nicht erschüttern lassen. Und vor allem sollten wir den Situationen, die diese starken Emotionen in uns ausgelöst haben, nicht überbewerten. Der Tag besteht ja meist aus ganz vielen schönen Momenten und wir sollten einer schlechten Situation nicht die Macht verleihen, unseren ganzen Tag in ein negatives Licht zu versetzten.


"Das Leben hat einfach so seine Wellen und es hat seine Höhen und Tiefen."

Rosina Geltinger


Das Leben besteht immer aus schönen und weniger schönen Momenten, Situationen und Erlebnissen. Wir können trainieren, dass wir unseren Fokus auf die schönen Momente legen, dass wir aufkommende negative Emotionen aushalten und dann wieder loslassen können und wir können uns in Abgrenzungs- und Bewältigungsstrategien üben.

Auch hier können wir wieder von unseren Hunden lernen. Unsere Hunde bauen nach stressigen Situationen – wenn wir Menschen sie dabei nicht einschränken – die innere Anspannung durch verschiedene Verhaltensweisen ab. Manche Hunde renne, buddeln oder wälzen sich. Andere schütteln sich ausgiebig.

All diese Verhalten dienen dazu, den Stress aus dem System herauszulassen und die angestaute Energie loszulassen. Für uns Menschen kann das Schütteln und ein paarmal tief Durchatmen eine gute Strategie sein, um Stressenergie abzubauen und die erlebte Situation besser zu verarbeiten.

Jede Veränderung deines Hundes beginnt bei dir. Ein Satz, von dem ich überzeugt bin und der dir auf jeden Fall begegnen wird, wenn du dich auf meiner Webseite umschaust. Wenn du dir nachhaltige Veränderungen im Zusammenleben mit deinem Hund wünschst, dann musst du dir Wissen über die Spezies Hund aneignen, z. B. über Lernverhalten und du musst deine innere Arbeit machen.

Dies wird dich dazu befähigen, deinem Hund in schwierigen Situationen eine Stütze und ein guter Begleiter zu sein. Ich empfinde es bis heute als ein großes Geschenk, was sich alles verändern durfte, weil ich auch und vor allem an mir selbst gearbeitet habe. Ein ganz wichtiger Punkt dabei war, die eigenen Bedürfnisse kennen zu lernen und sie in mein Leben zu integrieren.


"Die meisten kommen zu mir und sind verdammt klar darin, was sie nicht möchten. Wenn ich dann die Gegenfrage stelle: „Was hättest du denn gerne stattdessen?“ Dann ist zu 99 % erstmal Leere."

Rosina Geltinger


Tiere sind so tolle Spiegel für uns, weil sie ihre Bedürfnisse offen zeigen und auch einfach leben. Das kann so bereichernd für alle sein, wenn wir auch wieder mehr in Kontakt zu unseren Bedürfnissen kommen.

Für mich ist es ein Weg, um den man nicht drumherum kommt und auch nicht versuchen sollte, drumherum zu kommen. Denn es ist ein grandioser Weg – ein Lebensweg. Wenn man wirklich leben möchte und das Leben erleben möchte, dann ist dies der Weg, den man gehen sollte.


Mehr Infos zu Rosina findest auf ihrer Homepage.


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