Um ein Verhalten deines Hundes nachhaltig zu verändern und nicht nur zu unterdrücken, ist es notwendig, die Ursache hinter dem Verhalten zu finden. Im ersten Moment klingt es so einfach. Doch wenn du auf die Suche nach der Ursache gehst, wirst du bemerken, dass hier einige Schwierigkeiten auf dich warten.
Gerade weil die Ursache jedoch essentiell für den Trainingserfolg ist, möchte ich in dieser Folge den vermutlich größten Stolperstein der Ursachenfindung mit dir teilen.
In dieser Podcastfolge erfährst du:
- Wo liegt der Unterschied zwischen der Ursache und der Schuld?
- Warum es selten einen Unterschied macht, zu wissen, wer die Schuld trägt
- Weshalb es manchmal so schwierig ist, die Ursache zu finden
- Wie du die Ursache hinter dem Verhalten finden kannst
Wenn es um nachhaltige Verhaltensänderung bei deinem Hund geht, dann hörst du von mir immer wieder, dass du die Ursache für das Verhalten herausfinden musst. Denn wenn du weißt, warum sich dein Hund in einer bestimmten Situation genau so verhält, dann kannst du es auch verändern. Weil du dann nicht am Symptom herumdokterst, sondern die Ursache des unerwünschten Verhaltens in kleinen Trainingsschritten so verändern kannst, dass dein Hund in der Lage ist, sich anders zu verhalten.
"Was wir allerdings oft machen ist, dass wir gar nicht so richtig nach der Ursache, sondern nach einem Schuldigen suchen – d. h. wir gucken, wer ist Schuld daran, dass mein Hund sich so verhält."
Wir schauen oft spontan: Wer hat Schuld? Der Mensch, der meinen Hund angesprochen hat, ist schuld daran, dass mein Hund ausgeflippt ist. Oder der Züchter, die Pflegestelle, die Vorbesitzer oder das Tierheim, wo mein Hund vorher war, ist schuld daran, dass er schlechte Erfahrungen gemacht hat. Vielleicht gibst du dir selbst sogar die Schuld, weil du in deinen Augen etwas falsch gemacht hast oder es von anderen so gesagt bekommst. Möglicherweise findest du auch eine Schuld bei deinem Hund. Weil er so reagiert, kannst du etwas nicht machen oder fühlst dich nicht gut dabei.
Die Schuldfrage stellt sich im Alltag sehr oft und auch schnell ein, denn sie liefert erstmal einfach und schnell Erklärungen und wiegt uns auch ein Stück weit in emotionaler Sicherheit. Zumindest dann, wenn wir uns nicht selbst die Schuld geben, sind erstmal andere oder „die Umstände“ daran schuld, dass es uns nicht gut geht.
"In dem Moment, in dem ich jemand anderem die Schuld geben, gebe ich die Verantwortung dafür ab, wie mein Leben in diesem Moment abläuft und wie ich und mein Hund sich in diesem Moment fühlen. Ich gebe die Verantwortung an den, der die Schuld trägt."
Wenn wir die Verantwortung an „den Schuldigen“ abgeben, dann fühlen wir selbst uns meist erstmal unschuldig und damit vielleicht auch kurzfristig etwas besser. An der Situation für uns und unseren Hund ändert sich dadurch allerdings nichts. Ganz im Gegenteil, werden solche Situationen meist mit jeder Wiederholung immer blöder.
Dabei wollen wir doch, dass sich die Situation für uns ändert. Wir wollen, dass unser Hund z. B. den Menschen, der uns anspricht, nicht mehr anbellt. Damit wir uns besser fühlen und sich solche Situationen nicht mehr unangenehm für uns anfühlen. Wir wünschen uns auch, dass es unserem Hund in dieser Situation besser geht. Dass er keine Angst oder Stress mehr, wenn ihn jemand anspricht und dass er entspannt und selbstsicher durch solche Situationen gehen kann."Einen Schuldigen zu suchen, hat für mich nichts mit Ursachenfindung zu tun."
Es hilft dir in 99,9 % der Fälle nichts im Training, wenn du weißt, was der Auslöser war. Hat z. B. irgendjemand mal deinen Hund erschreckt und jetzt bellt dein Hund Menschen an, dann hilft es dir im Training reichlich wenig, den Auslöser zu kennen. Denn du kannst diesen Moment nicht rückgängig machen. Schuld hin oder her. Du kannst es dennoch nicht im Nachhinein verändern.
Ebenso hilft es dir nicht, wenn du dir Selbstvorwürfe machst. Zum Beispiel, dass du nicht besser aufgepasst hast oder anders auf die Situation hättest reagieren können. Du kannst die Vergangenheit nicht ändern. Aber du kannst die Zukunft verändern. Du kannst ab sofort etwas ändern, indem du die Verantwortung dafür übernimmst, wie du dich fühlst und wie dein Hund sich fühlt.
"Der Unterschied zwischen Schuld und der wirklichen Ursachen ist: Schuld ist oft von uns emotional gesteuert und eine Ursachenfindung ist rational."
Das heißt, du überlegst ganz rational, was ist die Ursache für das Verhalten meines Hundes. Hinter der Ursache kann sich eine Emotion deines Hundes verbergen oder auch ein Ziel bzw. eine Funktion. So könnte z. B. Angst, Frust oder Freude die Ursache für ein bestimmtes Verhalten sein – in unserem Beispiel, dass dein Hund bellt.
Und wenn du jetzt grübelst und dir denkst: Ich weiß aber nicht genau, welche Emotionen mein Hund in dieser Situation hat. Dann überlege dir, welches Ziel verfolgt dein Hund mit seinem Verhalten? Wünscht er sich Aufmerksamkeit oder Abstand oder, oder, oder? Und das nimmst du dann ganz rational und wertungsfrei als Ursache für das Verhalten deines Hundes und schaust, wie kannst du die Situation verändern, sodass dein Hund lernen kann, in diesen Situationen ein anderes Verhalten zu zeigen und sich dabei wohlzufühlen. Denn dann verändert sich automatisch auch die Emotion deines Hundes in dieser Situation, ohne dass du unbedingt vorher wissen musst, welche Emotion ursprünglich dahintergesteckt hat. Wichtig ist, dass sich die Emotionslage in schwierigen Situationen für deinen Hund verbessert.
Wenn du aufhörst die (emotionale) Schuldfrage zu stellen und anfängst, rational und wertungsfrei nach der Ursache zu forschen, dann wirst du für dich und für deinen Hund eine Veränderung bewirken und dann wird sich nicht nur dein Hund besser fühlen, sondern auch du.
Ich habe mich früher immer selbst auch schlecht gefühlt, wenn mein Chouky z. B. vor Menschen und Geräuschen Angst hatte. Früher war ich oft voll in meinem eigenen Film und habe anderen Menschen die Schuld dafür zugeschrieben, dass Chouky und ich uns schlecht fühlten.
Das ist den anderen gegenüber allerdings unfair. Und es hilft auch nicht bei der Lösungsfindung. Deshalb kann ich aus eigener Erfahrung empfehlen, nicht die Stempel und Etiketten, die du von dir und deinem Hund abgezogen hast, im gleichen Zuge anderen Menschen aufzudrücken. Es ist auch einfach nicht zielführend, die eigene Unzufriedenheit von einem Schuldigen auf den nächsten zu schieben.
"Schuldzuweisungen kosten in meinen Augen vor allem einfach nur richtig viel Energie und bringen aber keine Lösungen."
Lösungen findest du, indem du anfängst, nach der Ursache zu forschen. Welche Funktion steckt hinter dem Verhalten deines Hundes? Welche Emotion und wie kannst du dies im Training berücksichtigen und kleinschrittig verändern? Betrachte eure Herausforderungen ganz sachlich – wie eine komplexe Rechenaufgabe, bei der du die Aufgabenstellung kennst und den Rechenweg noch finden musst.
So investierst du deine wertvolle Energie in die Lösung. Und am Ende bekommst du das schönste und größte Ergebnis, das du bekommen kannst, wenn du aufhörst mit Schuldzuweisungen und reingehst in rationale Ursachen- und Lösungsfindung. Und dieses Ergebnis ist, aufzuhören zu streiten.
"Aufzuhören mit sich selbst zu streiten, mit seinem Hund zu streiten, mit seiner Umwelt zu streiten und einfach zu sein. Und andere auch sein zu lassen."
In diesem Sinne hoffe ich, dass dir diese Folge den ein oder anderen Schubser in eine neue Richtung geben konnte und du neue Inspiration und Motivation auftanken konntest, um die „Rechenaufgabe“ von dir und deinem Hund ganz rational und wertungsfrei zu lösen.