Wer kennt es nicht. Der Spaziergang mit dem Hund könnte so schön sein, wenn da nicht immer wieder Begegnungen wären. Begegnungen mit Menschen, Radfahrern, Joggern, Kindern und natürlich Hundebegegnungen. Doch leider ist der Hund beim Spaziergang gestresst. Die wenigsten Hunde gehen völlig gelassen durch diese Situationen. Vor allem entgegenkommende Artgenossen müssen ausgiebig beobachtet oder beschnüffelt werden. Oftmals bleibt es nicht dabei. Der Hund beginnt an der Leine zu ziehen, zu piepsen oder mutiert zum Leinenrambo und bellt die gesamte Nachbarschaft zusammen.
Ich kenne dieses Problem nur zu gut. Zwei meiner Hunde werden durchaus aufgeregt, wenn sie andere Hunde erblicken. Chouky hingegen reagierte früher auf absolut alles ziemlich heftig. Entspannte Spaziergänge mit Hund waren für mich kaum möglich. Nach einer Begegnungssituation war er oftmals so aufgebracht, dass der gesamte Spaziergang keine Freude mehr bereitete. Meine Versuche sein Verhalten zu unterbinden blieben erfolglos. Sie verschlimmerten unsere Situation nur zunehmend. Doch wie haben wir es geschafft, dieses Problem in den Griff zu bekommen?
Leinenaggression bei Hunden – Nach der Ursache suchen
Zu Beginn ist zu sagen, dass sich Aggressionsverhalten nie gut anfühlt. Die Idee einiger Menschen, der Hund hätte es gemacht weil es ihm Spaß machte, ging leider in die falsche Richtung. Wenn ich meinen Hund nach diesen Situationen beobachtet habe, konnte ich dies durchaus sehen. Fühle in dich hinein. Wie geht es dir emotional wenn du dich streitest oder ärgerst, wenn du frustriert bist? Fühlt sich das gut an? Ich denke es geht dir da wie mir. Dieses Gefühl möchten wir meiden, daher suchen wir immer nach Auswegen aus dieser Situation. So müssen wir uns künftig nicht wieder so fühlen. Unseren Hunden geht es genauso.
Um die Probleme in Begegnungssituationen bei unseren Hunden trainieren zu können, müssen wir uns mit dem Hintergrund des Verhaltens beschäftigen. Das trainieren am Symptom wird, wenn überhaupt, nur sehr kurzfristigen Erfolg bringen. Trainieren wir am Symptom, werden wir an anderer Stelle ein neues Symptom erzeugen. Die Ursache des Verhaltens ist bestehen geblieben.
Frust beim Hund kann Leinenaggression auslösen
Ein häufiger Grund für die aufgeregte Stimmung in Begegnungssituationen kann Frustration sein. Dein Hund möchte gern wissen, wer das da vorn ist. Er möchte die Menschen gern begrüßen. Ein junger Hund möchte eventuell gern neue Spielpartner finden. Der Hund läuft los und zack, die Leine hält ihn fest. Spätestens in diesem Moment empfindet der Hund Frust. Frust, dass er daran gehindert wird, das zu tun, was er gerade so dringend möchte. Frust, dass die Leine ihn an seinem aktuell größten Bedürfnis hindert. Dieser Frust muss schließlich kompensiert werden. Hier beginnt sich das Rad der Leinenaggression zu drehen.
Du darfst nie vergessen, die Leine löst nicht nur in dieser Situation Frust aus. Jedes Mal, wenn du deinen Hund von einer Schnüffelstelle wegziehst, ihn nicht in seine gewünschte Richtung laufen lässt, ihn ausbremst weil er zu schnell laufen möchte, ihm einen Seitenwechsel verbietest, löst du Frust aus. Dein Hund hat an der Leine kaum Möglichkeiten seinen Bedürfnissen nachzugehen. Du kannst diesen Frust durch gutes positives Training reduzieren, indem du deinem Hund beibringst, bestimmte Handlungen freiwillig zu zeigen. Jedoch bleibt ein Rest an Frust immer an der Leine haften. All diese Situationen müssen verkraftet werden. Ist das Maß voll, wird dein Hund seinen Frust äußern. Wenn du nun versuchst, dieses Verhalten zu unterdrücken, staut sich noch mehr in deinem Hund an, was irgendwann wieder raus muss.
So trainierst du ohne Frust und mit den Bedürfnissen deines Hundes
Mit diesem Weg kannst du nachhaltig das Verhalten deines Hundes ändern. Beobachte die vielen Bedürfnisse deines Hundes. Prüfe, welche Bedürfnisse du durchaus stillen kannst. So reduzierst du bereits zu einem Teil den Frust deines Hundes. Möchte einer meiner Hunde ganz dringend anders abbiegen als ich, weil es da vielleicht toll riecht, dann gehe ich da gern mit. Lässt es meine Zeit zu, gehe ich meine Runden gern so wie meine Hunde es möchten. Warum auch nicht? Der Spaziergang ist für die Zufriedenheit meiner Hunde da. Wenn sie sagen, da riecht es ganz besonders toll, dann gehen wir da hin. So kann ich meinen Hunden mit kleinen Dingen eine Freude machen.
Was ist das Bedürfnis eines frustrierten Hundes in einer Hundebegegnung? Hundekontakt. Nun gut, an jeden Hund kann und will ich meine Hunde nicht ran lassen. Aber wie wir wissen, haben unsere Vierbeiner eine ganz hervorragende Nase. Sie müssen nicht in einem Millimeter Abstand am Hund stehen, um zu erfahren, wer das ist. Meine Hunde dürfen die Spur des fremden Hundes abschnüffeln.
Wir gehen im Bogen um den Hund herum. Wieder auf unserem Weg angekommen, schnüffeln sie intensiv am Boden, um herauszufinden wer dort gerade entlang gelaufen ist. Noch besser ist es, wenn ich sehe, ob der fremde Hund irgendwo markiert hat. Dann gehen wir da hin. Auf diesem Weg schaffe ich es, das Bedürfnis meiner Hunde in einem angemessenen Rahmen zu stillen, ohne andere Menschen und Hunde zu belästigen.
Podcast-Tipp: #109 Welchen Einfluss hat Frust auf das Verhalten deines Hundes
Positives Hundetrainng: Reduziere den Frust an der Leine
Außerdem spielt hier die Leinenführigkeit eine sehr wichtige Rolle. Wie bereits erwähnt, ist auch eine gespannte Leine ein Auslöser von Frustration. Deshalb sollte es an oberster Stelle stehen, das Gehen an lockerer Leine zu trainieren. Nicht nur in Begegnungssituationen, auch im restlichen Alltag. Je kürzer eine Leine ist, desto schwieriger wird es für den Hund, diesen Radius einzuhalten. Je kürzer eine Leine ist, desto mehr grenzt sie den Hund ein. Daher ist es oft empfehlenswert eine längere Leine ab 2 Metern zu nutzen, so lange der Hund Schwierigkeiten mit der Leinenführigkeit hat. Meine Leinen sind nie kürzer als 2 Meter, da ich meinen Hunden immer die Möglichkeit geben möchte sich Abstand zu nehmen. Je kürzer die Leine ist, desto weniger Möglichkeiten für ein schönes alternatives Verhalten hat mein Hund. Er benötigt etwas Radius, den er nutzen kann, um sich Lösungen für schwierige Situationen suchen zu können.
Ein Grund für Leinenaggression: Dein Hund möchte mehr Abstand
Neben dem Ding mit der Frustration, kann auch dieses Bedürfnis Leinenaggression hervor rufen. Deinem Hund wird es einfach zu eng.
Wird der Abstand zu knapp könnte dein Hund theoretisch einfach weggehen. Wie oft funktioniert diese Lösung aber in der Praxis? Hat dein Hund eine Leine dran ist weggehen oft nur schwer möglich. Möchte ein Hund auf die andere Straßenseite wechseln oder umdrehen wird das leider in den seltensten Fällen zugelassen. Außerdem kommt das Gegenüber immer näher. Ist der Hund im Freilauf kann er sich den Abstand unter Umständen nehmen, vorausgesetzt das gegenüber folgt ihm nicht.
Du siehst, Abstand nehmen ist für viele Hunde keine Option mehr, da sie keinen Erfolg verspricht oder für den Hund nicht umsetzbar ist. Also muss eine neue Strategie her.
Strategien, mit denen Hunde Konflikte lösen:
Wünscht sich dein Hund Abstand, kann er aus diesen vier Strategien auswählen. Flight ist, wie besprochen, oftmals nicht möglich oder führt nicht zum Erfolg. Fiddle ist für viele Hunde ebenso an der Leine oft nicht möglich oder sie haben bereits gelernt, dass auch diese Strategie nicht zum gewünschten Ergebnis führt. Freeze wird ebenso von vielen Hundebesitzern nicht zugelassen. Der Hund darf nicht stehen bleiben, er muss weiter gehen. Immer näher an das gegenüber heran, wo er sich doch so dringend Abstand wünscht.
Eine Strategie bleibt übrig, Fight. Spätestens diese Strategie führt in aller Regel zum Erfolg. Endlich bekommt der Hund den Abstand, den er sich wünscht. Der fremde Hund schreckt zurück, der Mensch ebenso. Der Hundehalter wird unsicher und vorsichtiger. Er hält zukünftig ebenso mehr Abstand. All diese Abstandsvergrößerungen bestärken den Hund in seinem Aggressionsverhalten. Er wird diese Strategie immer öfter wählen und immer ausgeprägter zeigen. Aggressionsverhalten fühlt sich nicht gut an. Aber ist es die einzige Option einer bedrohlichen Situation zu entkommen, wird der Hund es zeigen.
achte bei Hundebegegnungen auf die Bedürfnisse deines Hundes
Ist das Bedürfnis deines Hundes mehr Abstand, dann solltest du ihm diesen gewähren. Im besten Fall dann, wenn er sich noch gut verhält. Bemerkst du eine Anspannung in deinem Hund, solltest du den Abstand nicht weiter verringern. Laufe entweder einen Bogen oder drehe im schlimmsten Fall einfach um. Nutze eine etwas längere Leine, damit dein Hund sich wieder Abstand nehmen kann, wenn er ihn möchte. Selbstverständlich kann hier gutes Verhalten mit Futter belohnt werden. Wird der Abstand in jeder Begegnung trotzdem stetig geringer, wird das Training nicht ans Ziel führen.
Letzten Endes gilt es für alle Verhaltensweisen, die du mit deinem Hund trainieren möchtest. Ignorierst du die Bedürfnisse, die hinter dem Verhalten stehen, wirst du keinen langfristigen und nachhaltigen Erfolg erreichen.
Du solltest versuchen, hinter die Kulissen des Verhaltens deines Hundes zu blicken. Wie ist seine erste Reaktion bei Erblicken des Gegenübers? In welchem Abstand beginnt er zu reagieren? Versucht dein Hund die Situation zu meiden? Wie verhält er sich, wenn er ohne Leine laufen kann?
Schaust du hinter die Kulissen. dann erfährst du mehr über die Funktion seines Verhaltens. Dann kannst du heraus finden, welcher der Gründe bei euch für Spannungen in Begegnungssituationen sorgt. Mit diesem Wissen ist es dir möglich, gezielt an der Ursache zu trainieren und langfristig eine entspannte Verhaltensänderung zu erreichen.
Lesetipp: Blogartikel #35 3 Strategien, die eure Begegnungen sofort leichter machen